Lebenslust pur
Trüffelreise nach Italien in die Marken
Claus Wilhelm Gérard ist der Bailli von Haute Bavière und ein großer Trüffel-Experte. Als erster Nicht-Italiener hatte er eine Trüffel-Lizenz erwerben können. Einen großen Teil des Jahres verbringt er in Monte San Vito bei Ancona. Dort veranstaltet er hochgelobte Trüffelreisen, die bei uns in der Bailliage Mittelrhein den Wunsch weckten, an einer dieser geselligen Reisen teilzunehmen. Rheinische Geselligkeit und italienische Kulinarik passen ja sehr gut zusammen.
Donnerstag, 17. Oktober 2019: Die Ankunft in Ancona ist pünktlich mit einem bezaubernden Empfang am Flughafen durch eine Trachten- und Musikgruppe aus San Vito. Nach kurzem Aufenthalt im Hotel Federico II geht es ins Stadtzentrum von Jesi. Der Rundgang mit den Besichtigungen der Piazza Federico II, der Signoria und der Pinacoteca wird von Klaus Wilhelm sehr sachkundig geführt; seine Detailkenntnisse zeugen von dem Enthusiasmus für die Region. Beim Spaziergang staunen wir nicht schlecht, als wir in der Bar „Gatto matto“ (verrückter Kater) scheinbar spontan zu einem Aperitif eingeladen werden, ehe es mit dem Bus nach Santa Lucia zur Trattoria „La Centilena“ geht.
Mit einer Reisegruppe kann man natürlich nicht zum Trüffelsuchen in den Wald gehen. Aber man kann das Prinzip verdeutlichen. Deshalb steht der trifolao Franco mit Gérards Trüffelhund bereit, um zu zeigen, wie es geht. Vor der Trattoria hat Franco Trüffeln vergraben, und der Hund soll sie vor unseren Augen aufstöbern. Er macht es mit Beinchenheben höchst professionell.
Dann geht es in die urige Trattoria zu einem genussvollen Trüffelabend, begleitet vom übermäßig verstärkten Sound von Rolandos Band. Die Hauptrolle aber spielen die Trüffel, persönlich von den Händen des Meisters auf die Pasta gehobelt. Ehrensache, dass schwarze Sommertrüffel und weiße Herrentrüffel nur von bester Qualität unter den Hobel kommen. Cavaliere Gérard lässt es sich während der ganzen Reise nicht nehmen, jeden Teller vor dem Gast einzeln mit seinem Trüffelhobel zu dekorieren – und er ist nicht kleinlich! So gesehen, geht es uns an diesem Abend richtig gut – abgesehen davon, dass es noch schöne andere Gerichte gibt.
Freitag, 18. Oktober 2019: Heute geht es nach Ancona, Der Colle Guasco, San Ciriaco und die Piazza del Papa stehen auf dem Programm. Klaus ist ein kluger Historiker, der sein Wissen unaufgeregt und eher beiläufig vermittelt. Er bringt uns Sehens- und Wissenswertes nahe, die nur beiläufig im Lexikon stehen.
Ein traumhafter Feinkostladen erregt unsere Aufmerksamkeit. „Wollen wir hineingehen?“ fragt Klaus scheinheilig. Der herzliche Empfang durch den Inhaber, die aufgebaute Batterie von Gläsern und die ständige Lieferung von Schinken, Wurst, Speck und Käse zum Probieren hätte uns misstrauisch machen sollen. Nur mit Mühe schafft es Klaus, uns wieder an die frische Luft zu bringen, nur um nach einem Spaziergang um den Block wieder vor dem Laden auf der Terrasse zum Déjeuner zu landen.
Aber der Tag ist noch lange nicht zu Ende. Die Pilgerstätte Loreto steht noch auf dem Programm, ehe es zum Frischmachen ins Hotel und danach nach Montemarciano ins Ristorante Alberto Berrdi geht. Den Aperitif gibt es am Meer, drinnen gibt es Fisch und Meeresfrüchte in allen Lebenslagen.
Samstag, 19. Oktober: Die Grotten von Frassati warten aheute uf uns. Sie sind eine Wucht. Wir haben eine Privatführung. In der größten der Grotten, in der der Dom von Mailand Platz hätte, erscheint unvermutet ein Tenor, der in der majestätischen Höhle ein Ave Maria erschallen lässt.
Bei der Ausfahrt wird an einer Bude „kurz“ gehalten. Den Inhaber kennt Klaus aus München. Er versorgt uns mit Kostproben von Spanferkel über piadine und crescia bis Trüffel- und Schokoladensalami; dazu reichlich Verdiccio für eine beschwingte Weiterfahrt.
Im Bus erfahren wir, dass Fahrer Stefano das Tanken vergessen hat. Wir schaffen es aber noch zu einer einsamen Tankstelle. Eigenartiger Weise sind dort ein Musiker und Gläser mit erstklassigem Spumante zur Stelle. Und zufällig hat die Tankstelle im Obergeschoss eine verglaste Pergola mit langem Tisch für uns. Der Musikus entpuppt sich als unterhaltsamer Zauberer, und der Inhaber hat nicht nur einen bayerischen Federhut, sondern auch eine frisch gebratene porcetta, ein knuspriges Schweinchen. Es ist grandios. Auch die Trüffel haben jetzt wieder ihren großen Auftritt.
Nach einer kurzen Pause im Hotel geht es nach Monte San Vito, wo eine historische Ölmühle und ein zauberhaftes kleines Theater auf uns warten. Zwei Schauspieler führen einen kleinen Sketch auf, - Bei der Weiterfahrt zum abendlichen Restaurant eröffnet uns Klaus, dass es Schwierigkeiten mit dem Restaurant fürs Abendessen gibt. Er bittet uns zu einem Drink auf die grandiose Terrasse seines Hauses, wo dann „ersatzweise“ die Türen aufgehen und wir einen festlich gedeckten, eleganten Saal sehen mit Lüster und offenem Kamin. Eine kleine Brigade verwöhnt uns mit einem köstlichen Dîner, welches einer Sterneküche entsprungen zu sein scheint. Die Weine mundeten auch entsprechend; wie wir heim gekommen sind, ist nicht ganz klar.
Sonntag, 20. Oktober 2019: Franco, der trifolaio, steht am Hotel und verkauft uns seine Trüffel. Dann geht es zu den Sternen: Wir fahren Senigalla zum Ristorante Uliassi, wo wir mit einem pranzo die Reise beschließen. Senigalla ist ein zauberhaftes Küstenstädtchen, wegen des sonnigen Sonntags voll mit flanierenden Einheimischen und Kinderwagen. Im Ristorante Uliassi kommt wahre Freude auf. Sie haben die Mischung drauf, die ein Top-Restaurant mit drei Sternen ausmacht: Professionalität und Gelassenheit, Perfektion ohne Arroganz, Küche ohne Krampf. Zum Verlieben!
Wir fahren dann gemeinsam mit dem Bus zum Flughafen. Wir sehen die glücklichen Gesichter unserer Mitrei-senden und Klaus mit Federica, die die Sache steuern. Wir sind dankbar, denn das war Lebensfreude pur!
Bericht und Fotos:: Dieter Ullsperger, Bailli